Was genau ist Vertrauensarbeitszeit und wie unterscheidet sie sich von anderen Arbeitszeitmodellen? Für welche Unternehmen in welchen Branchen ist sie besonders geeignet? Und welche Vor- und Nachteile hat die Vertrauensarbeitszeit für Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber? Wir fassen die wichtigsten Antworten in unserem Ratgeber zusammen.
Die moderne Arbeitswelt wird immer flexibler. Das zeigt sich auch daran, dass in vielen Unternehmen mittlerweile das Modell der Vertrauensarbeitszeit angewendet wird. Der Name macht den Kern des Arbeitszeitmodells dabei schon deutlich: Das Vertrauen zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten ist hier eine essenzielle Voraussetzung.
In diesem Beitrag
Definition: Was ist Vertrauensarbeitszeit?
Vertrauensarbeitszeit bedeutet, dass Mitarbeitende ihre täglichen Arbeitszeiten frei wählen und gestalten können – und diese nicht durch den Arbeitgeber festgelegt werden. Es handelt sich hier daher um eines der flexibelsten Arbeitszeitmodelle.
Arbeitgeber kontrollieren in diesem Fall nicht direkt, wann Angestellte arbeiten, wenngleich die Arbeitszeiten aus organisatorischen Gründen in der Regel abgesprochen werden. Oftmals werden von den Mitarbeitenden gemeinsam mit den Vorgesetzten darüber hinaus Arbeitsziele festgelegt, die bis zu einer bestimmten Frist erreicht werden müssen. Das erfordert entsprechend ein hohes Maß an Selbstorganisation.
So funktioniert Vertrauensarbeitszeit
Damit die Arbeitsziele weder zu ambitioniert noch zu niedrig angesetzt werden, müssen Mitarbeitende und Vorgesetzte sehr gut einschätzen können, wie viel Arbeitszeit jeweils für die Erledigung der angesetzten Aufgaben aufgewendet werden muss. Diese „geschätzte“ Arbeitszeit muss dann mit der im Arbeitsvertrag festgelegten Arbeitszeit übereinstimmen (zum Beispiel 40 Stunden pro Woche).
Wann ein:e Mitarbeiter:in diese Arbeitszeit aufwendet, ist bei der Vertrauensarbeitszeit seine beziehungsweise ihre Sache. Allerdings gelten auch in diesem Fall alle gesetzlichen Vorgaben, die zum Beispiel die maximal zulässige tägliche Arbeitszeit von acht Stunden festlegen. Ebenso darf nicht länger als sechs Stunden am Stück ohne Pause gearbeitet werden. Die Einhaltung dieser Vorgaben fällt in die Verantwortung der einzelnen Mitarbeitenden.
Muss bei Vertrauensarbeitszeit die Arbeitszeit dokumentiert werden?
Ja, die Arbeitszeit ist zu dokumentieren. Dabei gilt für die Vertrauensarbeitszeit der Grundsatz: Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sind für die korrekte und nachvollziehbare Zeiterfassung selbst zuständig.
Vertrauensarbeitszeit mit Kernarbeitszeit
Eine hundertprozentige Vertrauensarbeitszeit ist in vielen Jobs nicht möglich. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ein:e Mitarbeiter:in regelmäßig auf den Input von Kollegen und Kolleginnen angewiesen ist, für Kundschaft zu speziellen Uhrzeiten erreichbar sein muss oder generell viele Aufgaben im Team erledigt werden müssen. Auch für Meetings ist es wichtig, dass zu einer bestimmten Zeit alle Mitarbeitenden anwesend sind.
Allerdings muss unter solchen Umständen nicht komplett auf Vertrauensarbeitszeit verzichtet werden. Stattdessen können vom Arbeitgeber gewisse Kernarbeitszeiten definiert werden, in denen alle Angestellten erreichbar sein müssen, beispielsweise für vier Stunden um die Mittagszeit, von 10 bis 14 Uhr. Für die meisten Abstimmungsprozesse und auch für die Kontaktpflege zwischen den Mitarbeitenden reicht häufig schon eine Kernarbeitszeit von zwei oder drei Stunden am Tag aus.
Die Rechtslage: Ist Vertrauensarbeitszeit zulässig?
Ja, Vertrauensarbeitszeit ist in Deutschland rechtlich zulässig. Allerdings hat der Europäische Gerichtshof festgelegt, dass die Arbeitszeiten aller Mitarbeitenden durch den Arbeitgeber vollständig dokumentiert werden müssen. Bei Vertrauensarbeitszeit erfolgt diese Dokumentation der eigenen Arbeitszeit durch die Mitarbeitenden selbst, denn sie allein haben einen Überblick darüber, wann sie tatsächlich arbeiten. Diese Dokumentation wird für Arbeitnehmer:innen heutzutage durch intelligente Systeme und Applikationen vereinfacht, die durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden.
Haben alle Arbeitnehmer:innen Anspruch auf Vertrauensarbeitszeit?
Nein, es gibt keinen allgemeinen Anspruch auf Vertrauensarbeitszeit. Auch eignet sich dieses Arbeitszeitmodell nicht für jedes Unternehmen oder für jede Dienstleistung. Auf die Voraussetzungen für eine Vertrauensarbeitszeit kommen wir noch zurück. Ob in einem bestimmten Arbeitsverhältnis Vertrauensarbeitszeit möglich ist, wird oft im Arbeitsvertrag geregelt.
Vertrauensarbeitszeit wird immer beliebter
Die Zunahme von Home Office und der Wunsch vieler Arbeitnehmer:innen nach einer flexibleren Arbeitszeitgestaltung führen dazu, dass sich Arbeitgeber immer häufiger mit dem Modell der Vertrauensarbeitszeit auseinandersetzen – und dass dieses in immer mehr Unternehmen angeboten wird. Manche Arbeitgeber zögern indes damit, ihren Angestellten eine solche Freiheit bei der Arbeitszeitgestaltung zu geben. Tatsächlich müssen eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein, damit Vertrauensarbeitszeit sinnvoll implementiert werden kann. Eine Entscheidung für dieses Arbeitszeitmodell sollte im Voraus gut durchdacht werden. Das gilt zum Beispiel auch für andere moderne Arbeitszeitmodelle wie das der 4-Tage-Woche.
Auswirkungen von Mehrarbeit auf die Vergütung – besteht bei Vertrauensarbeitszeit ein Anspruch auf die Vergütung von Überstunden?
Das ist vom Unternehmen abhängig. Da Mitarbeitende bei der Vertrauensarbeitszeit oft mehr arbeiten als bei anderen Arbeitszeitmodellen, entscheiden sich viele Unternehmen dazu, Überstunden auszuzahlen oder mit entsprechender Freizeit wieder auszugleichen. Dies ist jedoch nicht gesetzlich vorgeschrieben und daher kein Muss für die Unternehmen. Im Zweifel liegt es an den Arbeitnehmer:innen zu beweisen, dass Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet und gebilligt wurden. Behalten Sie Ihr Arbeitszeitkonto daher am besten selbstständig im Blick und nehmen Sie Überstunden nur, wenn Sie sich der Konsequenzen bewusst sind.
Was sind Voraussetzungen für eine erfolgreiche Vertrauensarbeitszeit?
Zusammenfassend lassen sich drei Hauptaspekte nennen, die die Vertrauensarbeitszeit zu einem erfolgversprechenden Arbeitszeitmodell machen können:
1. Vertrauenskultur – die Grundlage für eine erfolgreiche Vertrauensarbeitszeit
Damit das Modell der Vertrauensarbeitszeit überhaupt funktionieren kann, ist eine ausgeprägte Vertrauenskultur im Unternehmen unabdingbar. Vorgesetzte müssen Ihren Mitarbeitenden dieses Vertrauen entgegenbringen, wenn diese ihre Arbeitszeiten selbstständig festlegen. Außerdem müssen Vorgesetzte und Teamleader sehr genau wissen, wie der Arbeitsalltag ihrer Mitarbeitenden überhaupt aussieht und wie viel Zeit für die Erledigung einzelner Aufgaben aufgewendet werden muss.
2. Selbstständige und eigenverantwortliche Arbeitsweise der Mitarbeitenden
Vertrauensarbeitszeit verlangt von Mitarbeitenden ein hohes Maß an Eigenorganisation, mit dem sie das in sie gesetzte Vertrauen rechtfertigen. Außerdem müssen Arbeitszeiten durch die Mitarbeitenden selbst protokolliert werden. Einige Mitarbeitenden fühlen sich gestresst, wenn sie selbst ihre Arbeitszeit kontrollieren und protokollieren sollen. Dann können feste Arbeitszeiten die bessere Alternative sein.
3. Ein Tätigkeitsprofil, das Vertrauensarbeitszeit ermöglicht
Für manche Jobs bietet es sich an, auf Vertrauensarbeitszeit zu setzen. Dazu gehören kreative Berufe wie Grafikdesigner:in oder Programmierer:in. Selbst festlegbare Arbeitszeiten sind auch dann kein Problem, wenn ein:e Arbeitnehmer:in für die Erledigung der Arbeit selten oder nie Input von Vorgesetzten oder Kolleg:innen benötigt und die eigenen Aufgaben größtenteils selbstständig abarbeiten kann. Andere Tätigkeiten sind für dieses Modell hingegen nicht geeignet, zum Beispiel Jobs in der Gastronomie oder Hotellerie sowie in der Pflege. Hier ist es notwendig, dass der oder die Arbeitnehmer:in an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit präsent ist.
Vorteile und Nachteile der Vertrauensarbeitszeit
Pro und Contra für Arbeitgeber
Vorteile für den Arbeitgeber
- Attraktivität als Arbeitgeber steigt
- Attraktive Zusatzleistung, um qualifizierte Bewerber:innen ins Unternehmen zu holen
- Mitarbeitende arbeiten ergebnisorientiert (anstatt Arbeitszeit „abzusitzen“)
- Besseres Betriebsklima durch Vertrauenskultur
- Größere Flexibilität im Arbeitsalltag für Angestellte und Vorgesetzte
Nachteile für den Arbeitgeber
- Höherer Organisationsaufwand
- Größeres Konfliktpotenzial zwischen Kollegen und Kolleginnen (beispielsweise aufgrund fehlender Erreichbarkeit)
- Möglicher Missbrauch durch Mitarbeitende
Was sind Vor- und Nachteile der Vertrauensarbeitszeit aus Sicht der Arbeitnehmer:innen?
Vorteile für Arbeitnehmer:innen
- Flexible Einteilung der eigenen Arbeitszeit
- Kein „Absitzen von Arbeitszeit“, wenn keine Aufgaben zu erledigen sind
- Bessere Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben
- Vertrauenskultur im Unternehmen und gegenüber Vorgesetzten
- Bei guter Umsetzung bessere Work-Life-Balance
Nachteile für Arbeitnehmer:innen
- Arbeitszeiten müssen selbstständig dokumentiert werden
- Höherer Koordinierungsaufwand mit anderen im Team
- Gefahr von „versteckten Überstunden“, die nicht dokumentiert oder vergütet werden
- Gefahr der „ständigen Erreichbarkeit“
- Engagierte Arbeitsleistung wird durch Vorgesetzte häufig weniger wahrgenommen
Fazit: Bei richtiger Umsetzung ist die Vertrauensarbeitszeit ein attraktives Arbeitsmodell
Für Arbeitnehmer:innen, die gerne selbstständig arbeiten, nicht an einen bestimmten Arbeitsort gebunden sind und sich ihre Zeit zu Hause wie im Büro gut einteilen können, ist Vertrauensarbeitszeit eine gute Wahl. Richtig umgesetzt können darüber hinaus ebenso Arbeitgeber davon profitieren, denn ihre Mitarbeiter:innen haben ein eigenes Interesse daran, produktiv(er) zu arbeiten. Das Modell macht Unternehmen im modernen Arbeitsumfeld attraktiver, das Image kann davon profitieren. Kurzum: Im besten Fall ist die Vertrauensarbeitszeit eine echte Win-win-Situation für Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber!
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