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Work-Life-Balance

Die 4-Tage-Woche: Vor- und Nachteile

Gepostet von Hannes Jarisch

Autor & Karriere-Experte bei Glassdoor

Letzte Aktualisierung 14. November 2022
|10 Min. Lesezeit

Arbeiten wir in Zukunft alle in einer 4-Tage-Woche? Ein aktuelles Experiment aus Island liefert auf diese Frage interessante Erkenntnisse, die unseren Arbeitsalltag revolutionieren könnten. Aber wie genau funktioniert die 4-Tage-Woche? Erfahren Sie hier, welche Vor- und Nachteile dieses Arbeitsmodell hat und wie deutsche Firmen schon jetzt das System umsetzen.

Wie funktioniert eine 4-Tage-Woche?

Unter dem Begriff 4-Tage-Woche werden verschiedene Arbeitszeitmodelle zusammengefasst, bei denen die wöchentliche Arbeitszeit nicht auf fünf, sondern auf vier Werktage aufgeteilt wird. Eine 4-Tage-Woche kann unterschiedlich umgesetzt werden. Denkbar sind zum Beispiel folgende Möglichkeiten:

  • Alle Mitarbeitenden haben an einem bestimmten Wochentag frei, zum Beispiel am Montag.
  • Jede:r Mitarbeiter:in kann selbst entscheiden, an welchem festen Wochentag er oder sie frei haben möchte.
  • Mitarbeitende können von Woche zu Woche neu entscheiden, an welchen vier Tagen sie arbeiten wollen.

Änderung auf 4-Tage-Woche bei gleicher oder geringerer Arbeitszeit

Manche Unternehmen haben von einer 5- auf eine 4-Tage-Woche umgestellt, ohnedie Wochenarbeitszeit zu ändern. So lassen sich beispielsweise 36 Arbeitsstunden pro Woche sowohl auf fünf als auch auf vier Tage aufteilen – eine gute Selbstorganisation der Teams vorausgesetzt. Andere Arbeitgeber haben eine 4-Tage-Woche eingeführt und dabei die Wochenarbeitszeit entsprechend verringert. Statt 40 Arbeitsstunden pro Woche sind dann 32 Arbeitsstunden pro Woche der neue Standard.

Vorteile einer 4-Tage-Woche

Die Befürworter:innen eine 4-Tage-Woche nennen unter anderem folgende Vorteile für den Betrieb und die Belegschaft:

  1. Produktivere, gesündere und zufriedenere Mitarbeitende: Einer Fluktuation wird vorgebeugt, die Work-Life-Balance verbessert.
  2. Höhere Flexibilität für die Mitarbeitenden: Diese steigert wiederum die Zufriedenheit und die Leistungsfähigkeit der Belegschaft.
  3. Gesteigerte Attraktivität des Arbeitgebers

Vorteil 1: Produktivere, gesündere und zufriedenere Mitarbeitende durch eine 4-Tage-Woche

Die Unterstützer:innen einer 4-Tage-Woche führen an, dass die Produktivität unter der verringerten Zahl an Arbeitstagen nicht leiden würde – und an vier Tagen die gleiche Arbeitsleistung wie an fünf erbracht werden kann. Oft wird sogar von einer erhöhten Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden ausgegangen. Dies wird unter anderem mit der gesteigerten Zufriedenheit der Mitarbeitenden in einer 4-Tage-Woche begründet.

Vorteil 2: Höhere Flexibilität für Mitarbeitende

Eine 4-Tage-Woche passt zu einem wichtigen Trend der Zukunft, der Flexibilisierung der Arbeitswelt. Die Reduzierung der Arbeitstage pro Woche macht es für Arbeitnehmer:innen einfacher, beispielsweise Familie und Job unter einen Hut zu bringen. Sie erleichtert auch die Betreuung von pflegebedürftigen Familienangehörigen. Ein zusätzlicher freier Tag pro Woche bietet eine bessere Work-Life-Balance und die Möglichkeit für Wochenend-Urlaube – oder schlichtweg die Option, in Ruhe einen Arzttermin oder einen Behördengang zu erledigen.

Vorteil 3: Attraktivität als Arbeitgeber einer 4-Tage-Woche steigt

Die höhere Flexibilität für Mitarbeitende ist auch einer der Gründe, warum mit einer 4-Tage-Woche die Attraktivität des Arbeitgebers steigt. Eine 4-Tage-Woche kann der entscheidende Faktor sein, warum sich ein:e potenzielle:r Mitarbeiter:in schließlich für einen bestimmten Job entscheidet. Gerade in Branchen mit einem Fachkräftemangel können Unternehmen im Laufe des Bewerbungsprozesses neue Talente von sich überzeugen.

Nachteile einer 4-Tage-Woche

Nicht alle Expert:innen sind von der 4-Tage-Woche überzeugt. Es gibt auch einige Aspekte, die gegen die Einführung sprechen. Dazu zählen:

  • Mehr Stress für Arbeitnehmer:innen
  • Reduziertes Gehalt und geringerer Urlaubsanspruch
  • Umsetzbarkeit im Daily Business

Nachteil 1: Mehr Stress für Arbeitnehmer:innen

„Arbeitspsychologe Michael Kastner ist skeptisch, dass bei weniger Zeit mehr geleistet werden könne. Das könne sogar kontraproduktiv sein, sagte er dem WDR. Der Grund: Die Anforderungen an die Arbeitnehmer, die nur noch vier Tage in der Woche arbeiten, würden höher werden, wie er glaubt. "Und das kann den Druck erhöhen."“

Schließlich müssen Projekte trotzdem rechtzeitig abgeschlossen werden. Müssen dafür Überstunden genommen werden, kann das gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen. Demzufolge ist es nämlich nur erlaubt, zehn Stunden am Tag zu arbeiten. Werden die 40 Stunden Wochenarbeitszeit allerdings auf vier Tage aufgeteilt, sind diese schon mit den festen Stunden erschöpft. Damit sei das Modell für eine 40-Stunden-Woche also ungeeignet.

Nachteil 2: Reduzierung von Gehalt und Urlaubsanspruch durch 4-Tage-Woche

Während in manchen Unternehmen das Gehalt bei Einführung einer 4-Tage-Woche unverändert durch die Beibehaltung der Stundenanzahl bleibt, gibt es bei anderen Arbeitgebern Anpassungen in der Bezahlung, je nach wöchentlicher Arbeitszeit.

Daher sind die Arbeitnehmer:innen bisher davon abhängig, wie der Arbeitgeber entscheidet. Ansonsten kann es zu Lohnkürzungen kommen, die vor allem in den weniger gut bezahlten Jobs sehr empfindlich sein können.

Ein weiterer Aspekt ist der Urlaubsanspruch. Rechtlich wird dieser anhand der gearbeiteten Tage berechnet. Bei einer 4-Tage-Woche wären also in Deutschland nur noch 16 Tage und nicht mehr 20 als gesetzlicher Mindestanspruch verpflichtend.

Nachteil 3: Herausforderungen bei der Umsetzbarkeit einer 4-Tage-Woche

Für eine:n Betrachter:in von außerhalb ist es häufig gar nicht ersichtlich, dass im Unternehmen eine 4-Tage-Woche gelebt wird. Dadurch kann es vorkommen, dass dringende Anfragen nicht rechtzeitig bearbeitet werden.

Auch Andrea Hammermann vom Institut der Deutschen Wirtschaft sieht die 4-Tage-Woche nicht als Allheilmittel. Flexible Arbeitszeitmodelle und Teilzeit seien auch jetzt bereits in verschiedenen Formen möglich.

„Außerdem glaubt sie nicht, dass sich dieselbe Arbeit in weniger Zeit erledigen lasse. Die Folge: Mehr Personal müsste her.“

WDR

Größere Herausforderungen gibt es zum Beispiel bei Berufen, in denen häufig im Schichtdienst gearbeitet wird. In vielen sozialen Berufen ist die Einführung einer 4-Tage-Woche nur durch die Einstellung von zusätzlichem Personal umsetzbar. Zum Beispiel bei Lehrer:innen und Erzieher:innen.

Die 4-Tage-Woche in der Realität – ein Check anhand von Erfahrungsberichten

In der Theorie gibt es also Argumente für und gegen die 4-Tage-Woche. Doch wie wird die 4-Tage-Woche schon heute in der Realität umgesetzt? Erfahrungsberichte zeigen, wie das Modell bei Mitarbeitenden und Unternehmen ankommt.

4-Tage-Woche: Erkenntnisse aus Island

Eine Studie aus Island hat die Auswirkungen einer 4-Tage-Woche untersucht und kommt dabei zu zahlreichen interessanten Ergebnissen.

Die Teilnehmenden der Studie arbeiteten dabei nicht nur in typischen Bürojobs, auch Tätigkeiten im Schichtdienst waren Teil des Experiments. Insgesamt nahmen mehrere tausend Arbeitnehmer:innen an der Untersuchung teil. Die wöchentliche Arbeitszeit wurde um vier bis fünf Stunden verringert und Mitarbeitende waren nur noch an vier Tagen in ihrem Job tätig. Die Höhe des Gehalts blieb dabei unverändert.

Die Folgen dieser neuen 4-Tage-Woche waren dabei durchweg positiv!

Die Produktivität der Teilnehmenden blieb gleich oder verbesserte sich sogar. Gleichzeitig steigerte sich auch das Wohlbefinden der Mitarbeitenden. Stress und Burn-out wurden messbar reduziert, auch die allgemeine Gesundheit der teilnehmenden Arbeitnehmer:innen verbesserte sich.

Die Ergebnisse dieses Experiments führten zu einer Revolution auf dem isländischen Arbeitsmarkt: Mittlerweile haben 86 Prozent der Arbeitnehmenden in Island kürzere Arbeitszeiten oder verfügen über das Recht, ihre Arbeitszeit zu verringern.

Erfahrungen von deutschen Firmen zur 4-Tage-Woche

Peter Imhof, Leiter Personal bei Media Broadcast

  • Das Unternehmen führte die 4-Tage-Woche im Jahr 2019 ein
  • Arbeitszeit wurde von 38 auf 32 Stunden abgesenkt
  • Monatliches Gehalt sank um circa sieben bis zehn Prozent

Media Broadcast ist ein Serviceprovider in der Rundfunk- und Medienbranche.

Jan Eppers, Geschäftsführer und Gründer von Frische Fische

  • Das Unternehmen führte die 4-Tage-Woche vor über fünf Jahren als Option ein
  • Klassische 5-Tage-Woche ist weiterhin möglich
  • Mitarbeitende können selbst wählen, welches Arbeitsmodell sie bevorzugen

Frische Fische ist eine deutsche Technology PR-Agentur.

Tobias Brunkhorst, Leiter Communication, Brand and Identity bei msg DAVID

  • Jahrelange Erfahrungen im Unternehmen mit der 4-Tage-Woche
  • Mitarbeitende können frei entscheiden, wie viele Stunden sie pro Woche arbeiten möchten und wie die Stunden auf die jeweiligen Wochentage aufgeteilt werden
  • Gehalt wird proportional aus der Arbeitszeit errechnet

Die msg DAVID GmbH ist ein IT-Unternehmen, das auf Softwareentwicklung und Beratung spezialisiert ist.

Auswirkungen auf Mitarbeitende

Peter Imhof, Leiter Personal von Media Broadcast, zieht hier ein überaus positives Fazit: „Ein Jahr nach der Einführung haben wir im April 2020 eine Befragung der Mitarbeitenden zur 4-Tage-Woche durchgeführt. Die Ergebnisse waren durchweg positiv, insbesondere dass 83% unserer Mitarbeitenden das Arbeitszeitmodell ihren Freunden und Bekannten empfehlen würden, ist sehr erfreulich. Die Ergebnisse der Befragung bringen auch die hohe Motivation und Loyalität der Mitarbeitenden zu unserem Unternehmen zum Ausdruck, in Zeiten des Fachkräftemangels ein enorm wichtiger Faktor. Die Einführung der Vier-Tage-Woche hat unsere Attraktivität als mittelständischer Arbeitgeber eindeutig gesteigert.“

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt Tobias Brunkhorst, Leiter Communication, Brand and Identity von der msg DAVID GmbH: „Die gebotene Flexibilität wird sowohl bei unseren Angestellten als auch am Bewerbermarkt als sehr attraktiv empfunden.“

Mitarbeitende können ihre Wochenarbeitszeit flexibel festlegen und sich neben einer 4-Tage-Woche auch für eine andere Aufteilung entscheiden.

In der PR-Agentur Frische Fische hat sich das Konzept ebenfalls bewährt, wie Jan Eppers, Geschäftsführer und Gründer, berichtet:

„In fünfeinhalb Jahren ist noch niemand von der Vier-Tage-Woche wieder zurück zu fünf Arbeitstagen gewechselt.“

Jan Eppers, Frische Fische Agentur

Eine vollständige Flexibilisierung der Arbeitszeiten wird dabei nur von einer Minderheit der Mitarbeiter nachgefragt: „Etwa dreiviertel der Kolleg:innen nutzen quasi MO-DO, also eine Arbeitswoche, die von Montag bis Donnerstag geht.“

Auswirkungen auf Arbeitgeberseite

Jan Eppers von Frische Fische beschreibt den bürokratischen Aufwand für die Einführung der 4-Tage-Woche als überschaubar: „Arbeitgeberseitig gab es keine großen Herausforderungen. Eine Meldung an den Versicherungsträger, zwei Zeilen Zusatz zu den Arbeitsverträgen und formal ist alles geritzt.“

„Auch aus unternehmerischer Sicht konnten wir alle mit der Einführung der Vier-Tage-Woche gesteckten Ziele erreichen.“

Peter Imhof, Media Broadcast

Hat die 4-Tage-Woche eine Zukunft?

Peter Imhof zieht ein positives Fazit und auch Tobias Brunkhorst hat darauf eine eindeutige Antwort: „Definitiv!“

Jan Eppers schließt sich dem an: „Natürlich! Da es bei uns die Wahlfreiheit gibt, sehe ich gar keinen Grund, wieder davon abzusehen. Solange die Mitarbeiter:innen es möchten, wird es die Vier-Tage-Option geben – nicht als Modell, sondern als erprobten Normalmodus.“

Die 4-Tage-Woche als passende Lösung für alle Mitarbeiter:innen?

Jan Eppers von Frische Fische sieht neben den Vorteilen auch klare Grenzen für die 4-Tage-Woche:

„Genau prophezeien lässt sich die Funktionsweise des Modells nicht – dazu gibt es zu viele unterschiedliche Lebensumstände und -entwürfe. Meistens passen vier längere Arbeitstage und ein Drei-Tage-Wochenende wunderbar, manchmal aber auch nicht. Die Wahlmöglichkeit und das Angebot des Ausprobierens sind essenziell!“

Um keine falschen Erwartungen aufkommen zu lassen, sei die richtige Vorbereitung entscheidend: „Wichtig finde ich das ausführliche, konkrete Gespräch mit jeder einzelnen Kollegin und jedem Kollegen vor Beginn des Vier-Tage-Modus'. Wie viele Stunden konzentrierter Arbeit traust du dir am Tag zu? Wie magst du deine Pausen legen? Hast du die Änderung mit deinem Partner bzw. deiner Partnerin besprochen? Was fängst du mit dem zusätzlichen freien Tag an? Die Kolleg:innen sollten eine realistische Vorstellung davon haben, welchen Einfluss eine geänderte Arbeitszeit auf ihr Leben hat.“

Auch Tobias Brunkhorst hat dazu eine klare Meinung:

„Welches Arbeitszeitmodell das richtige für die Arbeitnehmer:innen ist, kann nur das Individuum entscheiden – nicht das Management.“

Tobias Brunkhorst, msg DAVID GmbH

Fazit: 4-Tage-Woche als Option und Chance

Die 4-Tage-Woche ist in einer ganzen Reihe von deutschen Unternehmen aus verschiedenen Branchen bereits Normalfall. Zufriedenere Mitarbeitende und eine gesteigerte Attraktivität als Arbeitgeber sind nur zwei der Gründe dafür. Außerdem kann eine 4-Tage-Woche zu einer erhöhten Produktivität führen, wie die Untersuchung aus Island belegt.

Allerdings gibt es auch kritische Stimmen und negative Aspekte, die noch geklärt werden müssen, wie zum Beispiel das Gehalt. Klar ist: Eine 4-Tage-Woche ist nicht in jedem Fall die optimale Wahl. Für viele Arbeitnehmende ist sie aber attraktiver als die klassische 5-Tage-Woche – und wird daher bei der zunehmenden Flexibilisierung des Arbeitsmarktes in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.

Sie haben in Ihrem Unternehmen ebenfalls Erfahrungen mit der 4-Tage-Woche gesammelt? Geben Sie bei Glassdoor eine Bewertung ab!